Demonstranten und Polizisten im Dannenröder Forst
Reuters/Kai Pfaffenbach
Deutschland

Grün gegen Grün im Kampf um einen Wald

Der Konflikt über den Ausbau der Autobahn A49 in Hessen spaltet auch die deutschen Grünen. Teile des Dannenröder Forsts sollen der A49 weichen. Autobahngegnerinnen und Autobahngegner widersetzen sich und protestieren seit Wochen gegen die Rodung des Waldes.

Der Dannenröder Forst ist seit mehr als einem Jahr besetzt. Die Aktivistinnen und Aktivisten haben dort Baumhauscamps sowie zahlreiche Barrikaden errichtet, die von der Polizei seit dem 10. November Schritt für Schritt geräumt werden. Die Polizei setzte dabei auch Pfefferspray und Wasserwerfer ein. Medienberichten zufolge kam es immer wieder zu Gerangeln und teils gefährlichen Zwischenfällen.

Auch die Grüne Jugend und Vertreter der grünen Bundespartei, die sich in der Opposition befindet, nahmen am letzten Wochenende erstmals an Protestaktionen teil. Hessens grüner Verkehrs- und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir müsse „offene Fragen zu den ökologischen Schäden durch den geplanten Bau klären“, forderten die A49-Gegnerinnen und -Gegner: „Mindestens so lange müssen die Rodungsarbeiten aussetzen“, sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Marion Tiemann.

Umweltschützer sehen „Verrat“

Die A49 soll nach dem Lückenschluss Kassel und Gießen auf kürzerem Weg miteinander verbinden. Dem Bau der Trasse sollen insgesamt rund 85 Hektar Wald weichen, 27 davon im Dannenröder Forst. Dieser ist ein mehr als 250 Jahre alter Mischwald und gilt wegen seiner nachhaltigen Forstwirtschaft und der gesunden Bäume als wertvoll. Der eigentliche Bau der Autobahn soll laut dem Landkreis Vogelsberg erst im September 2021 beginnen. Erste Rodungen begannen vor rund einem Monat.

Im Koalitionsvertrag von Hessens CDU und Grünen aus dem Jahr 2018 wird die Fertigstellung der Trasse explizit erwähnt. Die Befürworter erhoffen sich weniger Verkehrsbelastung und eine bessere Straßenanbindung. Umweltschützerinnen und Umweltschützer setzen sich zur Wehr und werfen Al-Wazir „Verrat“ vor.

Grüne weisen Kritik zurück

Die mitregierenden Grünen wiesen die Verantwortung für den Autobahnbau zurück. Über die A49 werde nicht in Wiesbaden entschieden. „Die Weichen für das Projekt wurden über Jahrzehnte von anderen Mehrheiten im Bundestag gestellt“, sagte Katy Walther von der grünen Landtagsfraktion. Auch die Grünen hielten die Rodungen „ausdrücklich für falsch“. Al-Wazir sagte, alle juridischen Möglichkeiten seien ausgeschöpft. Einzig die Bundesregierung könne das Projekt noch stoppen.

Polizisten blicken auf Baumhäuser von Demonstranten im Dannenröder Forst
Reuters/Kai Pfaffenbach
Aktivisten besetzen ein Waldstück und harren in Baumhäusern aus

Die grüne Bundespartei wiederum wehrte sich gegen Kritik, zu zurückhaltend zu agieren. Parteichefin Annalena Baerbock sagte, die Zeiten, wo sich die Grünen ausschließlich um Umwelt und Klima kümmerten, seien vorbei. „Ich will in jedem Bereich Dinge besser machen“, so Baerbock. „Die Leidenschaft und Hartnäckigkeit, mit der die jungen Leute ihr Anliegen vortragen, ist beeindruckend“, sagte der zweite Parteichef Robert Habeck. „Man spürt – es ist ihre Zukunft, für die sie kämpfen.“

Demonstranten protestieren im Dannenröder Forst gegen den Bau der Autobahn A49
Reuters/Kai Pfaffenbach
Autobahngegner protestieren auf Waldwegen gegen die Rodung

Er verstehe die Wut über den Bau der A49, es handle sich aber um ein Bundesprojekt, für das die Bundesregierung zuständig sei. „Die hessische Landesregierung ist zur Umsetzung verpflichtet“, so Habeck. Der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hatte bei einem Besuch im Dannenröder Forst den Aktivisten dort die inhaltliche Übereinstimmung mit den Zielen der Partei bescheinigt und anschließend die Formel gefunden, Partei und Bewegung hätten eben unterschiedliche Rollen.

CDU-Chefin appelliert an Grüne

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte die Grünen auf, sich eindeutig von „radikalen“ Kräften abzugrenzen. In einer Rede zog sie den Anspruch der Grünen in Zweifel, eine bürgerliche Partei zu sein. „Bürgerlich wird man dadurch, dass man keine Baumstämme auf Polizisten wirft“, sagte die CDU-Chefin mit Blick auf die Proteste gegen den Autobahnbau. Wer sich „von diesen Leuten nicht eindeutig“ trenne, „der ist nicht bürgerlich“.

Sache der Gerichte

Am Montag gingen die Proteste im Dannenrörder Forst weiter. Bei einem Großeinsatz nahm die Polizei mehr als 50 Menschen fest, gegen ein Dutzend von ihnen werde ermittelt. Größere Zwischenfälle gab es aber nicht. Zwar seien bisher fünf der insgesamt elf Camps geräumt worden. Doch die Besetzerinnen und Besetzer würden deshalb nicht weniger, sondern sammelten sich in den verbliebenen Camps.

Der Ausbau der A49 beschäftigte seit Jahren zahlreiche Gerichte. Erst im Juni wies das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz gegen die Planung der A49 wegen eines Rechtsfehlers ab. Zuletzt bestätigte im September der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel, dass ein Protestcamp gegen den Bau und die Räumung der Waldbesetzung in Stadtallendorf bis zum 1. März erlaubt ist. Zwei weitere Camps wurden hingegen abgelehnt. Das letzte Wort in Sachen A49 scheint noch nicht gesprochen.

STRABAG in der Kritik

Der Baukonzern STRABG sieht sich wegen des Ausbaus der Autobahn heftiger Kritik von Umweltschützern ausgesetzt. Am Dienstag wurden sogar per Twitter Falschnachrichten über den angeblichen Stopp der Bauarbeiten durch die STRABAG in die Welt gesetzt. Der Baukonzern verwies auf die Rechtmäßigkeit des Projekts.

Das Projekt sei vor der Vergabe „behördlich präzise und umfassend geprüft und vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt“ worden. Die Projektgesellschaft agiere „in enger Abstimmung mit der Auftraggeberseite“.