HalleUnbekannte markieren Bäume im Storck-Wald: Was steckt dahinter?

In der vergangenen Woche wurden rund 100 Bäume am Steinhausener Weg mit Kreuzen versehen. Wer dahintersteckt, ist unklar. Die Täter aber scheinen sich auszukennen.

Heiko Kaiser

Kreuze im Storckwald - © Heiko Kaiser
Kreuze im Storckwald © Heiko Kaiser

Halle. Dass es sich hierbei um eine Protestaktion handeln muss, ist auf den ersten Blick klar. Weder die Firma Storck noch die Stadt Halle würden sich der Geschmacklosigkeit hingeben, zu fällende Bäume mit einem Totenkreuz zu markieren. Die Anfrage bei den zuständigen Stellen ist daher reine Formsache. „Die Markierungen stammen weder von Storck noch sind sie durch uns veranlasst worden", erklärt Unternehmenssprecher Bernd Rößler und betont gleichzeitig, dass es vor einem endgültigen Entscheid über die Erweiterungsplanung und Laibachverlegung Fällarbeiten nur im Rahmen der regulären forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung geben werde. Auch Timo Klack, Pressesprecher der Stadt Halle, versichert: „Wir haben damit nichts zu tun."

Möglicherweise das Werk externer Umweltaktivisten

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Eine Aktion von Fridays For Future (FFF) also? „Nein", stellt deren Sprecher Tobias Rüter klar. Wer für die Markierungen verantwortlich ist, bleibt daher unklar. Unbestätigte Hinweise könnten darauf hindeuten, dass die Storck-Erweiterung externe Umweltaktivisten auf den Plan gerufen haben.

Der Zeitpunkt der Markierungsaktion ist vermutlich nicht zufällig. Denn in der kommenden Woche wird am Mittwoch, 20. Januar, der Haupt- und Finanzausschuss zum Thema Storck-Erweiterung über die Änderung des Flächennutzungsplanes beraten. Ab 17.15 Uhr diskutieren die Mitglieder in der Sporthalle Masch in öffentlicher Sitzung über die 251 Seiten umfassende Beschlussvorlage.

Darin setzt sich die Stadt Halle ausführlich mit den Einwendungen und Stellungnahmen auseinander.Viele der Einwender äußern darin aus unterschiedlichsten Gründen grundlegende Kritik an den Erweiterungsplänen. Sie bezweifeln unter anderem, dass dadurch tatsächlich zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, die einen derartigen Eingriff rechtfertigen würden. Sie halten eine Unternehmenserweiterung zulasten des Waldbestands für falsch und fordern, das Unternehmen möge auf dem bisherigen Betriebsgelände zunächst aufstocken und nachverdichten. Viele weisen darauf hin, dass die Zerstörung von Waldbestand und Naturfläche angesichts des Klimawandels nicht vertretbar ist.

„Für den lokalen und regionalen Arbeitsmarkt ist dieses Angebot beziehungsweise der Bedarf an bisher immer relativ krisenfesten Arbeitsplätzen von besonderer Bedeutung. Dieses hat sich für die Stadt im Zuge der Krise des Unternehmens Gerry Weber sehr deutlich gezeigt und wird auch gegenwärtig im Zuge der Covid-19-Pandemie nochmals sehr deutlich", hält die Stadt mit dem Arbeitsplatzargument dagegen. Sie führt zudem ins Feld, dass für die Inanspruchnahme von Waldflächen entsprechende Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden.

„Art der Kritik wird Anforderungen in keiner Weise gerecht"

Auch die Sorge um die Überbeanspruchung der Grundwasservorkommen durch einen erhöhten Bedarf des Unternehmens teilt die Stadt nicht: „Die Verwaltung geht davon aus, dass Sorgen und Bedenken im Zuge des wasserrechtlichen Verfahrens weitgehend geklärt und ausgeräumt werden können." Darüber hinaus verweist sie auf das entsprechende Gutachten.

Besonders kritisch geht die Stadt Halle mit der Stellungnahme des BUND um. Der argumentiert, Eingriffe in Natur und Landschaft seien so gravierend, dass sie mit den geltenden Vorschriften und Vorgaben nicht vereinbar seien. Er geht vor allem mit den Planungen des Laibachs hart ins Gericht: „Die alternative Planung des neuen Laibachs als naturnahe Auenentwicklung zu bezeichnen und ihn darüber hinaus noch als Ausgleichsinstrument anzuerkennen, ist ein eklatanter Etikettenschwindel", findet der BUND. Gegen diese vorgetragene Art der massiven Kritik verwehrt sich die Verwaltung. Sie werde den Anforderungen in keiner Weise gerecht, heißt es.

Heiko Kaiser - © Nicole Donath
Heiko Kaiser (© Nicole Donath)

Kommentar: Das klassische Dilemma

Sorgen und Kritik werden zur Kenntnis genommen. Der Satz, mit dem die Stellungnahmen der Stadt zu den Einwendungen wie üblich beginnen, macht das Problem deutlich. Auf der einen Seite sind hier Menschen emotional bewegt vom Verschwinden eines weiteren Waldabschnitts in Halle. Nach den Erlebnissen beim Autobahnbau und vor dem Hintergrund des Klimawandels sprechen die Einwender unter anderem von „völligem Irrsinn", einem Handeln gegen „jegliche Vernunft" und erklären: „Wir alle brauchen den Wald". Da mag die formelhafte Erwiderung der Verwaltung hierauf („Die kritisierten Auswirkungen und Belastungen werden Verhältnis zum Planungsziel an diesem Standort in der Gesamtschau als vertretbar bewertet.") als ignorant erscheinen. Sie ist es aber nicht.

Letztlich drückt sie nur aus, dass die Storck-Erweiterung wie alle Planvorhaben formell sachlich und korrekt abgearbeitet wird. Längst hat die Politik dafür das Signal auf grün gestellt. Aus sachlichen und wirtschaftlichen Erwägungen. Die sind nur schwer vereinbar mit Gefühlen und mit dem Empfinden, dass erneut ein Stück Heimat unwiederbringlich verloren geht. Die Entscheidung zwischen Natur- und Arbeitsplatzverlust bleibt, was sie von Beginn an war – ein klassisches Dilemma.