HalleSpaziergänger sind schockiert: Zahlreiche Bäume für Stromleitung gefällt

Heiko Kaiser

Es war einmal ein Wald. Auf der Trasse der Höchstspannungsleitung sind Bäume unerwünscht, da sie die Sicherheit der Leitung gefährden. Bis zu 100 Meter breit kann der erforderliche Schutzstreifen sein. - © Ulrich Fälker
Es war einmal ein Wald. Auf der Trasse der Höchstspannungsleitung sind Bäume unerwünscht, da sie die Sicherheit der Leitung gefährden. Bis zu 100 Meter breit kann der erforderliche Schutzstreifen sein. © Ulrich Fälker

Halle. Spaziergänger sind schockiert. „Ich habe erst einmal eine Runde geweint", gesteht Ina Pfaff. Seit 40 Jahren sei sie hier spazieren gegangen. Nun sind alte Wegbegleiter gefällt worden. Eine große Schneise zeichnet den späteren Verlauf der Hochspannungsleitungstrasse vor.

Spekulationen, Storck würde bereits mit der Rodung für die Betriebserweiterung beginnen, tritt Unternehmenssprecher Bernd Rößler entgegen: „Die neue Hochspannungsleitung des Unternehmens Amprion wird wie die bisherige Stromtrasse über Storck-Gelände verlaufen. Unterhalb der Leitung ist nur eine bestimmte Aufwuchshöhe der Bäume erlaubt. Amprion rodet daher einen entsprechenden Korridor." Der Bereich liegt östlich des Paulinenwegs in der Nähe des heutigen Forstbetriebshofs. Die Rodung erfolgt auf Veranlassung von Amprion. „Storck ist an diesen Maßnahmen nicht beteiligt. Die Stromtrasse wurde durch einen Planfeststellungsbeschluss genehmigt", so Rößler.

Auf acht Kilometern läuft die neue 380-kV-Stromtrasse im Abschnitt Gütersloh–Wehrendorf durch Haller Gebiet. 20 Strommasten werden hier neu gebaut, wobei die Höhe der Masten zwischen 56 und 80 Metern variieren. Der längste Mast steht auf dem Gelände des Süßwarenherstellers Storck, weil unter seinen Trägerarmen das Hochregallager des Unternehmens erweitert wird.

Schutzstreifen bis zu 100 Meter Breite

Je nach Abstand und Höhe der Masten sowie der Geländetopographie wird auf der Leitungstrasse ein sogenannter Schutzstreifen errichtet. Er ist auf normalem Gelände zwischen 18 und 24 Meter je Seite breit. Im Waldbereich sind sogar Gesamtschutzstreifenbreiten von 60 bis zu 100 Meter erforderlich. Auf diesen Streifen bestehen nicht nur Nutzungsbeschränkungen, auch der Baumbewuchs ist hier massiv eingeschränkt. „Trassenpflege", nennt die Amprion-Projektsprecherin Katrin Schirrmacher die Maßnahmen, die verhindern sollen, dass umstürzende oder heranwachsende Bäume die Leitungssicherheit gefährden. Der Umfang der Maßnahmen richtet sich nach der vorhandenen Baumstruktur sowie nach dem mittelfristig zu erwartenden Zuwachs der Baumbestände.

Auch die Gruppe Fridays For Future Altkreis Halle greift das Thema Wald-Rodung auf. „Die jetzt entstandene Schneise gibt einen Vorgeschmack darauf, wie bald der ganze Wald aussehen wird", sagt FFF-Sprecher Tobias Rüter. In einer Stellungnahme zur Storck-Erweiterung heißt es: „Fridays for Future Altkreis Halle fordert, bei der Erstellung des Flächennutzungsplans die Flächenversiegelung und den Waldverlust auf ein Minimum zu beschränken. Eine großflächige Rodung und Versiegelung der Fläche ist unter keinen Umständen mit den Klimazielen der Stadt Halle oder einer nachhaltigen Politik vereinbar!"

Ein ausreichender Ausgleich für die verlorenen Waldflächen könne laut FFF nicht realisiert werden, da es in Halle an Ausgleichsflächen mangele und Ausgleichsflächen in benachbarten Orten unzureichend oder ebenfalls Mangelware seien. Außerdem sei ein neu angepflanzter Wald erst in 50 bis 60 Jahren fähig, die Funktionen eines intakten Waldes zu erfüllen.

FFF fordert daher die Firma Storck und die Stadt Halle auf, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Es sollt auf schon versiegelten Flächen gebaut werden und so wenig Waldflächen wie möglich verloren gehen. Die Firma Storck solle sich zudem verpflichten, ihre Produktion ab 2025 klimaneutral zu gestalten. Die Erweiterung der Parkflächen solle platzsparend geschehen. An die Erlaubnis zum Bau von Gebäuden sollten Auflagen hinsichtlich des Energiestandards und der Installation von Photovoltaikanlagen geknüpft werden.

Info

Laibachverlegung im Ausschuss

• Am kommenden Dienstag wird der Umweltausschuss über die Planungen der Laibachverlegung beraten. Wegen der geplanten Storck-Erweiterung soll der Bach vom Betriebsgelände in ein neues Bachbett verlegt werden.

• Storck hat im Vergleich zum ersten Planentwurf vom April 2020 in Teilen Modifikationen vorgenommen beziehungsweise auf Antrag der unteren Landschaftsbehörde vornehmen müssen. Demnach wird ein Teil des Teiches erhalten. Dort soll auch ein Flachwasserbereich geschaffen werden, der dem Amphibienbestand als Laichplatz dienen kann. Außerdem entfällt durch die Schaffung einer neuen Zufahrt zur Villa ein Brückenbauwerk.

• Obwohl durch den neuen geplanten Verlauf zudem alte Baumbestände geschont werden, sieht Hartmut Lüker vom BUND auch den neuen Entwurf kritisch: „Es ist unserer Ansicht nach nicht hinzunehmen, dass durch die Verlegung des Laibachs ein gesetzlich geschütztes Feuchtbiotop im Bereich der Westumgehung zerstört wird. Und angesichts des jetzt schon herrschenden Wassermangels muss eine Bachverlängerung auf die doppelte Laufstrecke äußerst kritisch gesehen werden."